Des einen Freud, des andern Leid – Sieger und Verlierer eines „Platzsturms“
Mit einigem zeitlichen Abstand müssen wir uns nochmals des Themas „Platzsturm“ und der Frage annehmen, wer dabei eigentlich die Gewinner und die Verlierer sind.
Nach der peinlichen Pokalpleite gegen den Rivalen aus Fürth am 20. Dezember 2011 hielt es einige aufgebrachte Anhänger des Glubb nach Spielende nicht länger auf den Rängen und sie liefen über die Aschenbahn Richtung Gästeblock. Dort angekommen, warfen sie Schneebälle in den Block und wurden anschließend von gefühlten drei Polizeibeamten in ihre Kurve zurückgejagt. Hört sich weniger dramatisch an, als es dann allenthalben kommentiert wurde.
Während zunächst von „kriegsähnlichen Zuständen“ (FCN-Vorstand R. Woy) die Rede war, überschlugen sich die Medien in ihren Kommentaren und ließen teilweise jegliche Regularien außer Acht. Während sonst jedes sogenannte „Sexmonster“ auf einen Balken über das Gesicht vertrauen darf, scheinen „Aschenbahnläufer“ offensichtlich ein zum medialen Lynchen freigegebenes Wild zu sein, so dass ein gerade so eben Volljähriger die Titelblätter der gesamten Presse-Region zieren durfte – ungepixelt!
Für die Medien war der Platzsturm offensichtlich ein Gewinn.
Gutachten rettet Unschuldigen vor Gericht
Ein weiterer Gewinn dürfte bei den Szenekundigen Beamten (SKB) verbucht worden sein. Schließlich hatten diese im Anschluss einiges Videomaterial zum Auswerten. Die Polizei war sich dann bereits im Januar 2012 sehr sicher, im Innenraum des Stadions Personen wiedererkannt zu haben. Man kennt ja schließlich seine Pappenheimer. Besser sogar, als eine Personengutachterin aus München, die im Gegensatz zu den szenekundigen Beamten die Übereinstimmung eines Angeklagten mit einer Person auf dem Video nicht bestätigen konnte. Überraschend, dass die SKB Kenntnisse über Personenübereinstimmungen haben, die nicht einmal eine Wissenschaftlerin hat. Das Verfahren endete mit einem Freispruch – die Kosten für die falsche Beschuldigung und das sehr teure Gutachten bezahlt der Steuerzahler.
Stadionverbotsanträge zu 35% falsch
Die Quote der Verurteilungen derjenigen, die Beschuldigte waren, war überraschend (oder eher nicht überraschend?) niedrig. Der Fan, der auf Antrag der SKB ein Stadionverbot erhalten sollte, obwohl er nachweislich gar nicht bei dem Spiel war, sondern auf der Arbeit, wird sich ungefähr vorstellen können, wie präzise in einem solchen Aufreger-Verfahren gearbeitet wird. Weitere von der Polizei Beschuldigte waren im Block, andere vorm Stadion! Nichtsdestotrotz: Ohne derartige Vorfälle hätten die SKB keinen Daseinszweck. Also: SKB sind Gewinner.
Ablenkungsmanöver hilft Mannschaft
Achja, dann war da ja auch noch die Mannschaft. Bis heute wartet Fußball-Nürnberg auf die mediale Aufarbeitung der bodenlosen Leistung der Mannschaft. Die mediale Schelte dafür musste den „Platzsturm“-Berichten weichen. Die Mannschaft darf sich also auch zu den Gewinnern zählen (paradox!).
Und die Rot-Schwarze Hilfe? Freuen tut sich im Vorstand keiner, wenn es zu solchen „Vorkommnissen“ kommt. Andererseits verkennt die RSH eben nicht, dass im Emotionssport Fußball auch hin und wieder Dinge passieren, die die Ermittlungsbehörden auf den Plan rufen. Die RSH kann man weder als Gewinner noch als Verlierer sehen.
Bleibt der Verein. Dieser hat sich mit einer Geldstrafe in atemberaubender Höhe „angefreundet“, weil die Strafe wohl ein „gutes Ergebnis“ im Verbandsverfahren darstellen soll. Aus dieser Perspektive betrachtet, könnte man ja fast von einem Gewinner sprechen. Realistischerweise sollte man sich aber im Klaren sein, dass der Verein ein Verlierer des Platzsturmes ist. Wenn er sich auch nicht vor seine Mannschaft stellen musste, weil die Kritik ja, wie bereits gesagt, im Nebel versank.
Die Platzstürmer selbst können sich wohl kaum als Gewinner fühlen. Die einen, weil sie nachher ein Strafverfahren am Hals hatten, die anderen, weil sie zwar nicht erwischt wurden, aber irgendwie trotzdem nicht wirklich etwas erreicht haben.
Zu guter letzt noch die „nicht-sogenannten Fans“. Im Gegensatz zu den „sogenannten Fans“ schreiben sich diejenigen, die sich leidenschaftlich über das Fehlverhalten anderer echauffieren, ja auf die Fahne, sich immer und überall korrekt und gesetzeskonform zu verhalten. Auf dem Videomaterial ist aber durchaus zu entnehmen, dass sich diese das Spektakel zwar motzend, aber durchaus gaffend, ansahen. Ähnlich wie zum Beispiel der sogenannte Fußballsender Sky minutenlang auf den qualmenden Dortmundblock beim Derby gegen Schalke filmt und dabei nicht versäumt, durch Herrn Reif zu betonen, was das für schreckliche (und nur deshalb gegen Bezahlung dem Publikum gezeigte) Szenen sind, sehen sich diese selbsternannten Gerechten minutenlang die Vorkommnisse an, anstatt sich unter Protest abzuwenden. Dürfte dann wohl die Rubrik Neutrale bis Gewinner sein, je nach Leidenschaft. Verlierer jedenfalls nicht.
Fazit
Verlierer: Platzstürmer und Verein, Gewinner: Medien, Mannschaft, SKB.
Ein Ergebnis, das kaum einem der „Zigarettenbürschle“ gefallen wird ...